Letzte Worte

Was werden einmal meine letzten Worte sein? Welcher Gedanke wird mir durch den Kopf gehen, bevor alles schwarz wird? Letzte Worte hatten schon immer besonderes Gewicht. Würde Martin Luther dem neuen Glauben im Angesicht des nahenden Todes doch noch abschwören? Was war mit Goethe, als er am Ende „Mehr Licht!“ ausrief?

Wenn ich tot vom Rad falle, dann mit goldenen Weizenfeldern im Kopf, nicht mit dem Gedanken, dass ich wieder nicht das Unkraut in der Einfahrt weggemacht habe. So hätte ich’s gern.

Doch der Tod ist meist banal. Viele Männer sterben im Sessel vor der Bundesliga, neben ihnen das halb ausgetrunkene Bier. Auch bei der EM wird der Fußball für manche letzter Gedanke und letztes Wort sein. Die Frage ist, ob die Leistungen der deutschen Mannschaft die Quote in die Höhe treiben werden …

Wenn eine Kuh an der Briefwaage hängt

Einer der Gründe, warum es uns so schwer fällt, respektvoll und verantwortungsbewusst mit dieser Erde umzugehen, liegt darin, dass unser Verhältnis zur Zeit stark unterentwickelt ist. Für die meisten Entscheidungen, die wir treffen, bildet unsere eigene Lebenszeit den Rahmen. Innerhalb dieser Grenzen bewegt sich unser Denken zumeist – verständlich, stecken diese paar Jahrzehnte doch den Horizont ab, vor dem wir unterwegs sind. Darüber hinaus zu schauen oder uns klarzumachen, wie viel Zeit schon hinter uns liegt, fällt schwer. So können wir keine halbwegs realistische Anschauung der Erdenzeit entwickeln. Dass unser Planet vor ca. 5.000.000.000 Jahren entstanden ist und vor 150.000.000 Jahren von Dinosauriern bevölkert wurde, lässt sich zwar in ehrfurchtsheischenden Zahlengebilden ausdrücken – aber vorzustellen vermögen wir uns dies auch nicht annähernd. Wir haben kein Organ dafür, das in der Lage wäre, Zeitspannen dieser Ausdehnung zu erfassen. Es ist, als ob man eine Kuh an eine Briefwaage hängen und dann das Gewicht ablesen wollte.

Man muss das begrenzte Hirn schon auf Touren bringen, um die Dimensionen zu begreifen, in die wir seit der industriellen Revolution durch Bevölkerungswachstum und zunehmende Ausbeutung und Zerstörung der Erde vorgedrungen sind.

„Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat 2006 die Welt-Erdöl-Reserven auf circa 163 Milliarden Tonnen geschätzt. Pro Jahr werden etwa vier Milliarden Tonnen gefördert. Seit Beginn der industriellen Erdölförderung Mitte des 19. Jahrhunderts sind rund 151 Milliarden Tonnen aus der Erde gepumpt worden, die Hälfte davon innerhalb der vergangenen 23 Jahre. Der „Peak Oil“, der Punkt an dem die Hälfte des vermuteten Öls aus der Erde geholt wird, soll innerhalb der kommenden zehn bis 15 Jahre erreicht werden.“
(https://www.tagesschau.de/wirtschaft/oelpreishintergrund104.html)
Eine sehr überschaubare Zeit … wenn man das Entstehungsjahr der Studie berücksichtigt, dürften wir den „Peak Oil“ bereits überschritten haben ….

200 Jahre genügten demnach, die Ölreserven des Planeten auszuplündern. Dieser Zeitraum entspricht 0,000004% der Erdenzeit. Um auch nur eine einzige Million Jahre so weiterzumachen, bräuchte es 5.000 Erden. Mit ebenso vielen Atmosphären.

Der Schwierigkeitsgrad dieser Rechenaufgaben hält sich in Grenzen: Schulkinder ab der Mittelstufe könnten sie ohne größere Probleme lösen. Geht es um die realen Probleme dahinter, stellen sich jedoch viele Erwachsene immer noch an, als könnten sie nicht bis drei zählen. Wir müssen wohl erst die Kuh an die Briefwaage hängen – korrekterweise müsste es, bezogen auf die Ölreserven und ausgehend von einem 20g-Brief, sogar ein Pottwal von 50 Tonnen sein …

Unter unsern Füßen

Auf der Internetseite einer Stadt entdecke ich verschiedene Rubriken. Corona natürlich, ganz oben momentan. Wohnungsbau. Luftqualitätsuntersuchungen. Und Bombenentschärfung. Bombenentschärfung?!

Im Rahmen eines neuen Bauprojekts, so heißt es dann, ergaben sich bei Probebohrungen Verdachtsmomente, dass im Boden noch Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg liegen. Die Piloten, die damals ihre tödliche Last abwarfen, sind bis auf eine Handvoll inzwischen selbst tot, ihre Maschinen längst verschrottet. Aber die Bomben können immer noch hochgehen.

Der Krieg war vor 76 Jahren zu Ende. Aber mit den Nachwirkungen müssen wir bis heute leben: Bomben, die immer noch Menschen töten können. Verletzungen, die immer noch weh tun: Alte Männer, die mit Tränen in den Augen erzählen, dass sie niemals ihren Vater gesehen haben. Söhne und Töchter, die von ihren Eltern nie erfuhren, was sie damals (nicht) getan haben.

Mit welchen Langzeitwirkungen, die wir zu verantworten haben, werden künftige Generationen leben müssen? Allein das, was wir im Boden zurücklassen, wird die Menschen durch seine Strahlung nicht Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte beschäftigen. Aber auch das, was wir aus dem Boden geholt haben und was nun fehlt, weil wir es allzu großzügig für uns selbst verbraucht haben. Welche Rubriken auf künftigen Internetseiten (falls es sie bis dahin noch gibt), werden den Lasten geschuldet sein, die wir dieser Welt hinterlassen?

Für die Bombenentschärfung im Neubaugebiet wurden vorübergehend 1300 Menschen evakuiert, dann war gut. So einfach werden die künftigen Bomben nicht zu entschärfen sein.

Nicht so wichtig

Würde sich ein deutsches Unternehmen zwingen lassen, seine Produktionsabläufe wegen der Corona-Krise im Wochentakt umzustellen? Wohl kaum. 

Und doch gibt es hierzulande mehr als 30.000 Unternehmen, die von der Politik seit über einem Jahr genau dazu gezwungen werden. Obwohl nicht wenige von ihnen eine Belegschaft von über 1.000 Personen aufweisen, müssen sie ihre Abläufe alle paar Tage umkrempeln. Offensichtlich ist für die Gesellschaft nicht so wichtig, was dort produziert wird. In den Schulen. 

Gut gemeintes Gedenken

Nun wird heute bundesweit der Corona-Toten gedacht. Gut gemeint, keine Frage, und gleichzeitig so hilflos. Aber nicht nur hilflos, das wäre zu einfach. Auch verzerrend.

„Jeder einzelne Tote ist auch eine schmerzliche politische Niederlage“, sagt die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Das klingt wieder einmal mehr so, als könnte mit den geeigneten politischen Mitteln und ihrer Umsetzung der Tod an sich aufgehalten werden. Ich höre dahinter das immer noch weithin gültige Selbstverständnis der Schulmedizin, jeden Todesfall als Niederlage der eigenen Disziplin zu begreifen. Gedenken als Kapitulationsveranstaltung? An dieser Stelle müssten wir alle einmal darüber ins Gespräch kommen, dass der Tod sich nur verzögern, aber nicht aufhalten lässt – weil jedem/r die Stunde schlägt. Diese eigentlich doch banale Erkenntnis bleibt in der gesamten Corona-Zeit wie hinter einem Schleier verborgen – eigentlich wissen alle, dass es da ist, aber niemand spricht darüber. Kann unsere Gesellschaft wirklich nur so überleben, indem sie das einzige Faktum, das von Beginn unseres Lebens an feststeht, so konsequent verdrängt? Und Menschen die Illusion gibt, wenn nur erst Corona beseitigt sei, sei das Leben wieder vollends gefahrlos geworden … so einmal der Kommentator meiner Tageszeitung, der meinte, mit Abschluss der Impfung könne das Leben völlig sorgenfrei und gefahrenlos weitergehen.

Neben der Verdrängung des Todes, dem diese Gedenkfeiern geradezu Aufschub leisten mit ihrer impliziten Botschaft, kommt die Verzerrung hinzu. Es war von Anfang an falsch, weil irreführend und demagogisch, von „Corona-Toten“ zu sprechen. Der Informationsgehalt dieser „Zahlen“ ist zu vernachlässigen, solange niemals geklärt werden kann, welche Rolle das Virus beim Sterben eines positiv getesteten Menschen gespielt hat. Die einzigen halbwegs aussagekräftigen Zahlen sind diejenigen, die sich aus der jeweiligen Übersterblichkeit im Vergleich zu den Vorjahren gewinnen lassen. Verstört dabei zu sehr, dass in Deutschland an einem normalen Tag schon mehr als 2500 Menschen sterben? Oder dass die Übersterblichkeit, die vermutlich maßgeblich auf Corona zurückzuführen ist, durchaus vergleichbar ist mit der Übersterblichkeit bei einer starken Grippewelle? Zahlen von „Corona-Toten“ helfen niemandem, sie schüren nur die Angst in der Bevölkerung – ordentlicher Journalismus sollte damit besser gar nicht hantieren.

Und schließlich: Hilft es wirklich, wenn die sogenannten Corona-Toten nun besonders herausgehoben werden? Ist der Tod eines Menschen, der an Schlaganfall, Herzinfarkt, an Krebs oder am Alter (gibt’s nicht?) gestorben ist, qualitativ anders zu veranschlagen, dass dieser Toten nicht gedacht wird? Dürfen oder müssen Angehörige von „Corona-Toten“ mehr trauern, weil dieser Tod angeblich vermeidbar war? Müssen Gedenkfeiern nun die Würdigung und Fokussierung fortschreiben, die mediale Berichterstattung erzeugt hat, indem sie Corona zum unangefochtenen Dauerthema gemacht hat, wie dies seit dem 2. Weltkrieg kein anderes Thema geschafft hat?

Wenn ein Mensch (absehbar) stirbt, verabschieden wir uns. Dies zu gewährleisten ist Aufgabe der Politik, es über Monate unterbunden zu haben gehört zum Bittersten, was Politiker in der Corona-Krise zu verantworten haben. Auch ein nationaler Gedenktag kann das nicht mehr einfangen.

Der letzte Traum

Einen Tag vor seinem Tod träumt jeder Mensch, dass er fliegen kann. Fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß: es ist einfach so. Als ich diesen Traum hatte, gestern, konnte ich es mir jedenfalls nur so vorstellen.

Ich stand in einem nach oben zylinderförmig aufragenden Raum, vergleichbar einer aufgestellten Raumkapsel. Ein paar Menschen waren da, meine Frau beispielsweise, an die anderen erinnere ich mich nicht. Jedenfalls breitete ich die Arme aus und begann mich zu konzentrieren. Nach einer Weile spürte ich eine Kraft unter mir, eine Welle, die mich langsam hochhob, wie der Luftstrom ein Luftkissenfahrzeug. Meine Füße verloren den Kontakt mit dem Boden und ich schwebte langsam nach oben.

In diesem Moment schien mir die Weisheit aller Religionen, Philosophien und Erkenntnisse in mir vereinigt – vermutlich war das der Augenblick, als ich dachte, jetzt müsse es gewiss ans Sterben gehen.

Dann allerdings, und dieser Gedanke war gleich der nächste, durchfuhr mich heiße Angst: Was wäre, wenn plötzlich meine Konzentration abfiele und ich zerschmettert am Boden aufschlagen würde? So macht sich der Mensch Sorgen, dass er sterben könnte – einen Tag, bevor er sowieso sterben muss.

Die Kraft indes hielt mich oben, und ich schwebte weiter. Nicht in den leeren Raum, denn dieser war ja begrenzt. Aber innerhalb des Zylinders schwebte ich, vergleichbar den Astronauten in der Schwerelosigkeit. Es kam mir in diesem Moment gar nicht so ungeheuerlich vor, unter „normalen Umständen“ nicht mehr der Schwerkraft ausgeliefert zu sein. Die Schwerkraft hatte schließlich auch keine Macht mehr über mich – ich hatte mich der alles überragenden Kraft des Geistes anvertraut.

Meist erinnert man den Anfang, nicht aber das Ende eines Traumes. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann doch wieder zu Boden sank wie ein mit Gas befüllter Luftballon am dritten Tag. Ich war erfüllt von diesem Geschehen, andächtig, ohne mich in irgendeiner Form besser zu fühlen als diejenigen, die unten geblieben waren. Nur dankbar.

Ansonsten blieben mir größere Geistesblitze während meines Fluges verwehrt. Ich genoss es einfach zu fliegen. Dass fliegende Menschen die Herausforderungen dieser Welt lösen, bezweifle ich. Vielleicht war es nur eine Botschaft für mich.

Heute bin ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Und doch ist in mir immer noch eine Ahnung von dieser Leichtigkeit, die mich abheben ließ.

Ob ich nun tatsächlich heute noch oder morgen sterben werde? Warten wir’s ab. Wenn Sie in ein paar Tagen hier wieder einen Post vorfinden, wissen Sie, dass ich mich geirrt habe. Aber nur darüber. Fliegen kann ich trotzdem. Im Traum.

You are now unmuted

Wenn der Tod
nicht das letzte
Wort hat
wer dann
wenn nicht du?

You are now unmuted

Für alle, die mit Online-Plattformen nicht vertraut sind: Die Ansage „You are now unmuted“ („Sie sind nicht mehr stumm geschaltet“) bedeutet, dass ab sofort gesprochen werden kann.

Mit dem heutigen Beitrag feiert diese Seite ihren 1. Geburtstag. Unmuted – das passt. Danke für alle ermutigenden Kommentare!

Stellvertretendes Leiden

Der christliche Glaube lebt
vom Gedanken der Stellvertretung
Stellvertretend leidet Jesus
für die Welt

So möge die Frage erlaubt sein
wer gerade stellvertretend leidet
für alle

Mir kommen meine Schüler
in den Sinn
Klasse 7 bis 10
eingeschlossen seit Monaten
gerade noch bei der Stange
oder schon weg

Noch warten sie
auf den Engel
der den schweren Stein
wegwälzt
vor ihrem Grab

Nichts ist an Ostern
ferner
als Ostern

Sprachlehre oder Sprachleere

Zugegeben, ich bin der Polemik nicht abgeneigt. Obwohl ich in der Regel versuche, sachlich zu bleiben und Verbalinjurien zu vermeiden. Aber was ich in den letzten Wochen an etlichen Stellen im Radio und Fernsehen vernommen habe, ist imstande, meinen Blutdruck schneller und nachhaltiger in die Höhe zu treiben als die Corona-Politik unserer Bundesregierung. Da kommen auf einmal „Politiker innen“ über den Äther, da ist von „Lehrer innen“ und ihren „Schüler innen“ die Rede. Ja, genau so gesprochen wie gerade geschrieben: Lehrer innen. Was beim ersten Mal noch als Aussprachelapsus durchgeht, entpuppt sich beim häufigeren Hören als neue Masche. Und ich frage mich, wie viel Dummheit unsere Gesellschaft eigentlich verträgt! Das geschriebene sogenannte „Binnen-I“ phonetisch als neuen Anlaut absetzen – haben diese Leute denn jegliches Sprachgefühl verloren?! Solche im wahrsten Sinn unsäglichen Konstruktionen sind ein untrüglicher Hinweis darauf, dass hier alles knallhart einer Ideologie untergeordnet wurde. Ein neuer Versuch, Sprache mit allen Mitteln gesinnungskonform umzubauen. Ich dachte eigentlich, solche Zeiten hätten wir hinter uns …

In den Richtlinien, die eine Arbeitsgemeinschaft „Geschlechtergerechte Schreibung“ 2018 vorlegte, waren mehrere Kriterien formuliert, denen neue Vorschläge genügen müssten:

Geschlechtergerechte Texte sollten u.a.

  • verständlich und lesbar sein
  • vorlesbar sein
  • für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.

Es dürfte klar sein, dass der Kehlkopfhüpfer (die Kehlkopfhüpferin?) keinem der genannten Kriterien genügt. Vielmehr wirkt die sprachliche Verstümmelung wie eine absichtliche Stolperfalle, um den Fokus vom Inhalt auf die Ideologie zu verschieben.

Nicht besser schlagen sich Asteriscus- (Lehrer*innen) und Schrägstrichlösungen (Arbeiter/innen). Spätestens wenn es ans laute Lesen geht, zumal bei komplexeren Konstruktionen, ist Chaos vorprogrammiert: Der Lehrer/ die Lehrerin, die seinen/ihren Schüler/innen Vorbild sein möchte … wer kann oder möchte solchen Quark vorlesen?!

Dann lieber die Partizip-Lösung? „Studentenwerke“ sind inzwischen so gut wie ausgestorben, „Studierendenwerk“ heißt es nunmehr politisch korrekt. Dass „studierend“ den momentan Akt meint und so zum Ausdruck bringt, dass nicht immer studiert, wer studiert, d.h. nur zu bestimmten Zeiten „studierend“ ist, wird hier selbstredend zugunsten der höheren Sache aufgegeben. Sprachlich sauber geht anders. Aber wie?

Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Das Einzige, was ich weiß: Die momentan in der Öffentlichkeit und in bestimmten Milieus kursierenden Sprachregelungen sind allesamt ungeeignet, das bislang gebräuchliche generische Maskulinum zu ersetzen, das alle anderen Geschlechter in der männlichen Form eingeschlossen sieht. Ist z.B. in einem Gesetzestext vom „Mieter“ die Rede, sind damit nicht nur Männer gemeint, sondern alle Menschen, die mieten. Nebenbei gesagt besteht einer der Vorteile des generischen Maskulinums außer seiner Kürze darin, dass es auch Menschen einschließt, die sich als „divers“ bezeichnen. Feministinnen würden mir hier sofort widersprechen und einwenden, das generische Maskulinum schließe gerade nicht alle ein, sondern aus – bis auf XY-Träger.

Als Mann kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, dass sich Frauen in einer traditionell männlichen Sprache nicht abgebildet sehen, auch wenn diese den Anspruch erhebt, alle Geschlechter zu vertreten – das gilt übrigens nicht nur in der deutschen Sprache so. Aber welche vernünftige und praktikable Alternative gibt es?

Wenn es darum geht, dass Frauen in der Sprache mehr vorkommen sollen, ohne dass gleichzeitig die Praktikabilität auf der Strecke bleibt, scheint mir das noch am ehesten sinnvoll, was ich seit Jahren in Gesprächen vertrete: für eine bestimmte Zeit konsequent nur noch weibliche Formen zu verwenden. Das würde zumindest alle Nicht-Frauen mit der Erfahrung konfrontieren, sich von einer Form vertreten lassen zu müssen, die das eigene Geschlecht nicht abbildet, sondern nur aufgrund einer Vereinbarung beinhaltet. Vielleicht ein notwendiger Lernprozess für Männer. Und irgendwann wird vielleicht wieder klar sein, dass nicht immer alles und jedes genannt sein muss, wenn alles und jedes gemeint ist.

Sprache ist ständig im Fluss, aber sie verhält sich widerständig zu Ideologie. Sie hat ihre eigenen Gesetze und wandelt sich gleichzeitig unter neuen Moden. Doch lässt sie sich nur zu ihrem Schaden vor den Karren der Gesinnungsdiktatur spannen. Früher oder später gehen die Pferde durch – das lässt mich hoffen!

Wie seht ihr das, liebe Leser innen?