Pastor soll Holocaust relativiert haben – und muss Gemeinde verlassen

Ja, im Ernst, das soll schon unsere einzigartige und unvergleichliche deutsche Leistung bleiben, dieser Holocaust. – Ein Pfarrer aus dem niedersächsischen Alfeld konnte dieser Tage nicht schnell genug aus der Stadt gejagt werden. Doch leider erfährt man nicht, was Christian Diederich in seiner Andacht für die Lokalzeitung geschrieben hat: sie wurde nie veröffentlicht. Die Presseleute hatten Meldung bei seinen Vorgesetzten erstattet, die wiederum untersagten augenblicklich die Publikation. So ist es relativ müßig, darüber zu urteilen. „Kleingerechnet“ haben soll er den Holocaust, indem er ihn mit anderen Völkermorden verglich. 

Wäre es tatsächlich so schlimm für uns Deutsche, wenn der Holocaust nicht die ärgste, sondern ‚nur‘ die zweitärgste Scheußlichkeit der Menschheitsgeschichte wäre, weil es außerhalb unseres Fokus‘ einen Massenmord in ähnlichen Dimensionen gab? Oder dürfen wir uns das als deutsches Alleinstellungsmerkmal ans Revers heften, in der festen Zuversicht, es werde für die Ewigkeit gelten?

Es kotzt, ja, es kotzt mich geradezu an, wie Zeitgenossen in der Öffentlichkeit abgeschossen werden, sobald sie es wagen, an tradierten Narrativen zu rütteln. Als ob der millionenfache Mord an den europäischen Juden, initiiert und fast gänzlich realisiert durch deutsche Hand, dadurch weniger grauenhaft würde, weil er zusammen mit anderen monströsen Verbrechen genannt wird!

Aber vielleicht sollten wir als Deutsche dafür plädieren, ein Negativpendant zum „Weltkulturerbe“ einzuführen. Ich beantrage schon heute den ersten Platz auf der Liste der Scheußlichkeiten für uns.

Wie gesagt: Es ist müßig, über den Fall zu urteilen, ohne die Fakten auf dem Tisch zu haben. Vielleicht ist es tatsächlich unsäglich, was Diederich gesagt hat bzw. sagen wollte. Aber ohne diese Fakten riecht, ja, es riecht einmal mehr danach, dass hier dem Götzen political correctness ein neues Opfer vorgeworfen wurde. Die Verantwortlichen können sich auf die Schulter klopfen. Dank ihrer Beherztheit ist ein Stück mehr Menschlichkeit in unserem Land gewachsen. Weiter so!

Die Mehrheit hat Recht – richtig?

Angesichts der Verbrechen in Nazi-Deutschland reagiert meine Generation oft fassungslos: Warum gab es damals so gut wie keinen Widerstand in der Bevölkerung? Entweder lebten damals fast ausschließlich Feiglinge, oder unsere Vorfahren gingen mehrheitlich der übermächtigen staatlichen Demagogie auf den Leim. Wenn man davon ausgeht, dass diese Menschen grundsätzlich nicht besser oder schlechter waren als wir, und wir weiter zu unseren Gunsten annehmen, dass die heutige Menschheit nicht überwiegend aus Feiglingen besteht, dann wird ein wichtiger Grund für den fehlenden Widerstand damals in genau dieser redundanten Propaganda zu suchen sein, der die Menschen ausgesetzt waren und deren Klaviatur das Regime wie keines zuvor zu spielen verstand.

So wirkt es einigermaßen banal, sich darüber zu mokieren, dass Menschen z.B. vor der antisemitischen Propaganda einknickten, ohne sich bewusst zu machen, was es bedeutet, tagein, tagaus mit den entsprechenden ‚Informationen‘ gefüttert zu werden. Wenn ich eine Meinung tausend Mal höre – woher nehme ich die Kraft, ihr nicht zu glauben? Muss am Ende nicht doch wahr sein, was anscheinend alle für wahr halten? Selbst einem kritischen Geist wird es auf Dauer nicht leicht fallen, Abstand zu wahren und sich in ein inneres Exil zurückzuziehen, wo andere Plausibilitäten herrschen, wenn alles um ihn herum gegen ihn steht.

US-amerikanische Psychologen fanden in einer Studie aus dem Jahr 2007 heraus, dass innerhalb einer Gruppe diejenige Stimme am ehesten Gehör findet, die sich am häufigsten artikuliert. D.h. die Anzahl der Wiederholungen hat entscheidenden Einfluss darauf, ob sich eine Meinung am Ende durchsetzt oder nicht – losgelöst von ihrer inhaltlichen Plausibilität.
https://www.semanticscholar.org/paper/Inferring-the-popularity-of-an-opinion-from-its-a-a-Weaver-Garcia/a0d3b62437e251c9cd4a3f8739b2d5b813f432e1

Wie sieht es dann erst aus, wenn ein Chor von Stimmen mehr oder weniger unisono und über einen langen Zeitraum seine Botschaft verbreiten kann, immer und immer wieder – ohne Gegenrede?
Wird die schiere quantitative Übermacht nicht dazu führen, dass mehr und mehr Menschen vor dieser Übermacht kapitulieren in dem Bewusstsein, DASS DOCH NICHT FALSCH SEIN KANN, WAS OFFENSICHTLICH ALLE GLAUBEN?

Fazit: Die Tatsache, dass etwas überall, ständig und von (fast) allen gesagt wird, verrät noch nichts, aber auch rein gar nichts über den Wahrheitsgehalt des Gesagten. Doch die Chancen stehen hervorragend, dass sich genau diese Meinung am Ende durchsetzen wird. Es genügt offenbar, etwas immer und immer wieder zu sagen, dann wird es am Ende auch nach-gesagt und … geglaubt. Die schiere Redundanz des Gesagten und das (weitgehende) Fehlen abweichender Meinungen erweist schon seine Wahrheit.

Wenn heute die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung die offizielle Position zu Corona gutheißt und mitträgt, sagt dies noch nichts über die ‚Wahrheit‘ dieser Position aus, wobei ‚Wahrheit‘ in diesem Fall Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit bedeutet.

Vielmehr würde eine Untersuchung der publizistischen Landschaft in den ersten Corona-Wochen m.E. zum Ergebnis kommen, dass die Medien sehr zügig auf die Regierungsposition eingeschwenkt sind und so maßgeblich mit dazu beigetragen haben, ein neues Narrativ zu schaffen: das von der einzigartigen globalen Bedrohung. In ‚meiner‘ Tageszeitung wurden abweichende Meinungen jedenfalls sehr schnell abgetan, indem sie als unseriös gebrandmarkt oder als verantwortungslos diffamiert wurden, mitunter wurde ein ausgesprochen polemischer Ton angeschlagen, der jeglichen sachlichen Journalismus vermissen ließ. Ein öffentlicher, ausführlicher Diskurs hat im Wesentlichen nicht stattgefunden, vielmehr waren die Medien eifrig bemüht, den Boden für die Exekutierung historisch einzigartiger, einschneidender Maßnahmen zu bereiten. NACHDEM DIE POLITIK DIE RICHTUNG VORGEGEBEN HATTE, WURDE DIESE NICHT MEHR GRUNDSÄTZLICH IN FRAGE GESTELLT. Diskussion wurde mehr oder weniger abgeblockt. Wer nicht auf Linie war, wurde zum Verschwörungstheoretiker erklärt oder in die politisch extreme Ecke gestellt.

Es geht hier überhaupt nicht darum, den politisch Verantwortlichen Bösartigkeit zu unterstellen. Es geht aber sehr wohl darum, auch bei ihnen mit dem zu rechnen, was zum Menschsein generell gehört: Fehlbarkeit.

Genau das darf es offensichtlich aber nicht mehr geben. Die vorherrschende Strategie in der Corona-Krise grundsätzlich zu hinterfragen geht nicht. Genau diese Haltung bezeichne ich als totalitär und anti-demokratisch. Sie passt weder zu unserer Geschichte noch zu unserer Gesellschaft. Und doch wird sie, wohl meistens unbewusst, von vielen vertreten, die sich in der Öffentlichkeit zu diesem Thema äußern.

Dass dies kein neues Phänomen ist, sei nur am Rande erwähnt. Auch in anderen Themenbereichen gibt es längst die Tendenz, abweichende Meinungen auszugrenzen und zu diffamieren (z.B. beim Thema Klimawandel).

Ich bin beileibe kein ängstlicher Mensch, aber diese Entwicklung macht mir tatsächlich Angst, weil sie subkutan erfolgt und so plausibel wirkt, geht es doch – selbstverständlich immer gut gemeint (das ist keine Ironie!) – darum, unsere Werte zu schützen, während sie dabei gleichzeitig verraten werden.

De facto ist es aber doch so: Das, was z. Zt. (noch) die Mehrheit glaubt und für angemessen hält, ist von einer sehr kleinen Gruppe von spezialisierten Wissenschaftlern und Politikern als die ihrer Meinung nach angemessene Reaktion auf das Corona-Virus beschlossen worden. Möglich, dass die hinter ihnen versammelte Mehrheit Recht hat, möglich, dass sie irregeht. Darüber muss gerungen werden – immer wieder. Aber die Mehrheit hat nicht deshalb Recht, weil sie die Mehrheit ist, und sie setzt sich ins Unrecht, wenn sie Bürgern, die zu anderen Einschätzungen kommen, Verantwortungslosigkeit unterstellt oder sie der Dummheit bezichtigt.

Gerade weil es für diese Situation keine Blaupause gab, sondern von allen (!) Neuland beschritten wird, kann sich niemand an die Brust heften, die Musterlösung zu haben. An dieser Stelle das Denken vorschnell Virologen und Politikern zu überlassen, die in Elfenbeintürmen ganz eigener Art sitzen, offenbart schon ein erstaunliches Maß an Naivität. Woher sollen die es denn wissen?!

Eine Herausforderung, welche die Gesellschaft quasi an allen Stellen betrifft und trifft, kann auch nur von allen gelöst werden, und das bedeutet im demokratischen Staat, dass Vertreter der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche am Meinungsbildungsprozess beteiligt werden müssen. Stattdessen steht eine einzige (ehrenwerte!) Disziplin seit Monaten im Brennpunkt des nationalen Interesses – die der Virologen – und soll es zusammen mit den regierenden Politikern richten. Mochte das zu Beginn der Krise noch nachvollziehbar, weil der allgemeinen Verwirrung geschuldet sein, so zementiert eine solch eindimensionale Sichtweise langfristig eine partielle Wahrnehmung und begünstigt Maßnahmen, die das Ganze der Gesellschaft nicht im Blick haben.

Wo ist der breit aufgestellte Krisenstab, in dem Mitglieder aus relevanten Bereichen der Gesellschaft mitwirken, sodass sich ein annähernd realistisches Bild davon ergibt, welche ‚Nebenwirkungen‘ die bisherigen Maßnahmen haben? Wo dann nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit abgewogen wird zwischen Kosten und Nutzen, statt wie das Kaninchen vor der Schlange auf Infektionszahlen zu starren, mit denen wir auf unabsehbare Zeit werden leben müssen – wie mit vielen anderen Erkrankungen auch. Mir fehlen hier viel zu viele Stimmen – diejenigen derer, die von sich aus nichts sagen, und die Stimmen derer, die abgewürgt wurden.

In der Blase

Hier passt es für mich. Ich orientiere mich an dem, was die anderen sagen, dann geht es mir gut.

Die draußen mag ich nicht. Die verunsichern mich. Ich will nicht verunsichert werden, ich will glauben können, was ich höre, ohne dass ich es jedes Mal nachprüfen muss. Ich kann das auch gar nicht beurteilen, ich kenne die Zusammenhänge doch gar nicht. Es funktioniert nur mit Vertrauen. Die oben werden schon wissen, was gut für uns ist. Nur schlechte Menschen zweifeln daran und stellen alles in Frage. Ich sehe es schon an ihren Gesichtern: frech, aggressiv, richtig böse.

Ich bin überzeugt: Wenn die oben das so sagen, dann stimmt es auch. Außerdem haben sie versprochen, uns zu schützen. Ich habe kein Recht, das anzuzweifeln oder in Frage zu stellen. Warum sollte es falsch sein, was sie tun? Sie werden es gut machen, schließlich haben sie auch Ahnung davon.

Alles, was ich will, ist, mich sicher fühlen. Aber diese anderen Gedanken regen mich auf, sie bringen alles in Unordnung. Wenn ich darauf höre, wird alles so schrecklich kompliziert. Am Ende dreht sich mir alles, und ich weiß überhaupt nicht mehr, was und wem ich noch glauben soll. Das macht mich ganz verrückt.

Ich kann nicht verstehen, warum die draußen immer gegen alles sind. Die spinnen doch. Zum Glück sind sie in der Minderheit. Und die Mehrheit kann sich nicht irren. Aber die anderen sind gefährlich für die Allgemeinheit. Wenn es nach mir ginge: man sollte sie aus dem Verkehr ziehen. So schnell wie möglich. Dann wäre alles viel einfacher und besser.

De Gaaferlabbe

Keine Frage: Die Corona-Krise mutet uns einiges zu. Arbeit und Aktivitäten wurden eingeschränkt, Mobilität und Kommunikation begrenzt. Und nicht zuletzt immer wieder the f……* mask.

Inzwischen hängen sie reihenweise hinter dem Lenkrad, das Gummiband hinter den Ohren und die Maske unter dem Kinn geschürzt, als säßen sie gerade im Hochstuhl beim Morgenbrei.

Menschenskinder, lasst doch nicht alle Ästhetik fahren! Bewahrt euch bitteschön ein bisschen Würde und entratet nicht aller guten Manieren! Früh genug noch werdet ihr wieder anfangen zu sabbern und ihn brauchen: de Gaaferlabbe (für Fremdsprachler: den Geiferlappen).

O her mer doch uff, alder Schlabbe! 
Mir mache uns selwer zu Dabbe! 
Was hängd unnerm Kinn, 
egal, wu sie sinn? 
Wie’m Gloane zum Gaafern de Labbe! 

Anspruch auf Unversehrtheit – das neue Narrativ

Was mich an der gegenwärtigen Krise am meisten verstört, ist die Selbstverständlichkeit, wie das Narrativ vom legitimen Anspruch auf Unversehrtheit (und Unsterblichkeit) das gesellschaftliche Handeln steuert. Statt die Brüchigkeit und Endlichkeit einzurechnen, scheint man vom Menschenrecht auf körperliche Gesundheit und (fast) ewiges Leben auszugehen.

Dem muss alles andere untergeordnet werden. Da spielt es keine Rolle, welche ‚Kollateralschäden‘ die Corona-Maßnahmen auslösen, wenn nur dieses Menschenrecht gewahrt bleibt und alles nur Erdenkliche getan wird, um diesen Anspruch durchzusetzen.

Nicht nur dass hier der Eindruck entsteht, es gebe neben Corona keine anderen Erkrankungen oder Gefährdungen menschlichen Lebens.
Nicht nur dass unter den Tisch fällt, wie Epidemien schon immer Opfer gefordert haben und dies mehr oder weniger stillschweigend so akzeptiert wurde, weil es keinen absoluten Schutz gibt.
Nicht nur dass übersehen wird, wie auch die jetzigen Maßnahmen Menschen das Leben kosten – z.T. sogar im ganz wörtlichen Sinn, wenn alte Menschen an ihrer erzwungenen Isolation sterben oder sich sogar das Leben nehmen.

Der Kampf gegen Corona wird überhöht zu einem Kampf um Anspruch auf Unversehrtheit. Als könne und müsse der Staat die Verantwortung dafür übernehmen, diesen Anspruch durchzusetzen. Als könne und dürfe ich als Individuum diesen Anspruch gegenüber irgendeiner Macht auf dieser Erde formulieren. Als sei dieser Anspruch realisierbar, wenn nur genügend Sorgfalt und Verantwortlichkeit eingesetzt werde, wenn nur alle an einem Strick zögen und sich mit allen Kräften bemühten.

Passiert doch etwas, dann nur deshalb, weil irgendjemand zuvor versagt hat, der für diese Fehlleistung dann auch belangt werden kann – am besten juristisch. Denn hätte er seinen Job ordentlich gemacht, wäre es nicht zu dieser ‚Panne‘ gekommen.

Dahinter steckt die Vorstellung, dass Todesfälle und andere Katastrophen prinzipiell vermeidbar wären, falls nur der Sorgfaltspflicht Genüge getan würde.
Es ist dieselbe Auffassung, die in der Vergangenheit schon zu Klagen nach missglückten medizinischen Eingriffen oder der Geburt eines behinderten Kindes geführt hatte – als gäbe es eine Garantie auf Gelingen, wenn sich alle an die Regeln hielten. Nun artikuliert sie sich als genereller Anspruch auf ein Leben ohne Katastrophen.

Demgegenüber sollte an die Weisheit der Alten erinnert werden: media vita in morte sumus – mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen. Es gibt kein Menschenrecht auf Unversehrtheit und auch keines auf langes Leben (oder gar Unsterblichkeit).
Es gibt keine Instanz, vor der dieser Anspruch geltend gemacht werden könnte, und keine, die imstande wäre, ihn durchzusetzen.
Wir sollten uns deshalb nicht selbst und voreinander belügen, indem wir so tun, als sei die Politik diese Instanz oder als bräuchte es nur genügend guten Willen, um ihn durchsetzen.

Denn diese Auffassung ist nicht nur naiv, sondern gleichzeitig gefährlich. Denn andere berechtigte Ansprüche bleiben auf der Strecke. Mit einer gewissen Gnadenlosigkeit wird alles Handeln der Maxime untergeordnet, die Unversehrtheit zu gewährleisten.
„Leben erhalten“ wird zur obersten Maxime, der sich alles andere unterordnen muss. Leben erhalten statt Leben gestalten.

Wer an dieses Narrativ rührt, läuft Gefahr, angefeindet zu werden. Denn er rührt an das, was im Hintergrund steht: die Angst vor dem Tod. Wenn irgendetwas in den letzten Jahrzehnten die oft vertretene These von der Verdrängung des Todes belegt, dann die Corona-Krise.

Sternstunde

Aus der Corona-Verordnung Sport des Kultus- und Sozialministeriums Baden-Württemberg vom 25.06.20

§ 3
(2) Während der gesamten Trainings- und Übungseinheiten soll ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen sämtlichen anwesenden Personen eingehalten werden; davon ausgenommen sind für das Training oder die Übungseinheit übliche Sport-, Spiel- und Übungssituationen.
[Anm.: Dieser Satz verdient ob seiner Sinnfreiheit einen Preis!]

(3) Sofern der Trainings- und Übungsbetrieb in Gruppen stattfindet, soll eine Durchmischung der Gruppen vermieden werden.

(4) Soweit durchgängig oder über einen längeren Zeitraum ein unmittelbarer Körperkontakt erforderlich ist, sind in jedem Training oder jeder Übungseinheit möglichst feste Trainings- oder Übungspaare zu bilden.

§ 4
(3) Untersagt sind Sportwettkämpfe und Sportwettbewerbe

  1. mit über 100 Sportlerinnen und Sportlern und über 100 Zuschauerinnen und Zuschauern bis einschließlich 31. Juli 2020;
  2. mit insgesamt über 500 Sportlerinnen und Sportlern sowie Zuschaue- rinnen und Zuschauern bis einschließlich 31. Oktober 2020.

Die zulässige Zuschauerzahl erhöht sich bis einschließlich 31. Juli 2020 auf 250 Zuschauerinnen und Zuschauer, wenn zusätzlich

  1. den Zuschauerinnen und Zuschauern für die gesamte Dauer der Veranstaltung feste Sitzplätze zugewiesen werden und
  2. die Veranstaltung einem im Vorhinein festgelegten Programm folgt.
  1. Bei der Bemessung der Zuschauerzahl bleiben die Beschäftigten und sonstigen Mitwirkenden an der Veranstaltung wie Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Betreuer, Schieds- und Kampfrichterinnen und -richter sowie weiteres Funktionspersonal außer Betracht. Unter den Zuschauerinnen und Zuschauern ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten, sofern nicht § 2 Absatz 2 in Verbindung mit § 9 CoronaVO etwas anderes zulässt.

Unbestreitbar eine Sternstunde deutscher Bürokratie. Hoffentlich werden noch viele Novellierungen nötig.

Nach der Sommerpause soll übrigens das Studienfach „Corona“ eingerichtet werden, das in die Lage versetzt, das Regelwerk in die Praxis umzusetzen.

Kollateralschäden

In der Pharmazie würde man von „Nebenwirkungen“ sprechen, beim Militär heißen sie „Kollateralschäden“: Auswirkungen eines Medikaments bzw. einer militärischen Operation, die nicht erwünscht sind, aber letzten Endes hingenommen werden, weil der dadurch angerichtete Schaden als kleiner angenommen (!) wird als der abgewendete.

Der durch die Anti-Corona-Maßnahmen abgewendete Schaden wurde von Virologen und Medizinern hochgerechnet, bleibt aber letztlich eine hypothetische Größe. Doch wer hat versucht, den tolerierten Schaden hochzurechnen, der entsteht, wenn ein Land über Monate hinweg heruntergefahren wird oder sich nur noch im Teilbetrieb befindet?

Sage niemand, es gehe nur um den wirtschaftlichen Schaden. Viel zu viel hängt daran: Betriebliche Existenzen brechen weg, Lebensbedingungen werden plötzlich prekär durch Kurzarbeit, Arbeitsplätze gehen verloren, Lebensgemeinschaften und Familien brechen auseinander, Kinder und Jugendliche, v.a. aus bildungsfernen Schichten, geraten durch die momentane Schulsituation noch stärker ins Hintertreffen als bisher, Menschen, die in Einrichtungen leben, sterben aufgrund staatlich verordneter Isolation den sozialen Tod … niemand überblickt derzeit auch nur annähernd diese Kollateralschäden.

Wer rechnet diese „Nebenwirkungen“ hoch und beziffert sie in ihrem gesellschaftlichen Effekt? Waren bei den politischen Corona-Entscheidungen der letzten Monate auch Fachleute vertreten, die diese Bereiche repräsentieren?

M.a.W.: Sind die Maßnahmen der letzten Monate verhältnismäßig im Vergleich zu dem, was auf der Strecke bleibt? Oder sind die tolerierten Schäden am Ende wesentlich höher als die, die vermieden werden?

Ich hätte mir gewünscht, dass meine Zeitung nicht nur die im Zusammenhang mit Corona eingetretenen Todesfälle veröffentlicht (bei denen der tatsächliche Anteil von Corona völlig diffus bleibt), sondern auch, wie viele Menschen täglich in unserem Kreis sterben. Immer. Ohne Corona. Viele haben offensichtlich vergessen, dass es kein Menschenrecht auf ewiges Leben gibt und der Tod zum Leben gehört. Würde unser Staat in anderen Bereichen mit derselben Vehemenz vorgehen, hätte der Individualverkehr schon längst eingestellt werden müssen – damit könnten jährlich über 3.000 Menschen gerettet werden.

Stattdessen hat Hysterie einen beträchtlichen Teil der Gesellschaft erfasst. So dass Menschen bereitwillig ihre Freiheitsrechte aufgeben und ebenso bereitwillig die Opfer dieser Maßnahmen übersehen. Wohl allen, denen ein Schauer über den Rücken läuft, wenn der Regierungschef eines Nachbarlands öffentlichkeitswirksam zugibt, seine 96-jährige Mutter beim Sterben alleingelassen zu haben. Ein öffentlicher Aufschrei auf dieses Bekenntnis hin blieb bislang offensichtlich aus. Es ist fürwahr ein hoher Preis, der gezahlt wird – längst nicht nur von einsamen oder sterbenden alten Menschen …

Was sich (nicht) verändern lässt

Ich weiß nicht, wieviel Prozent der derzeitigen Nachrichten vom Corona-Virus bestimmt bzw. diktiert werden. Gesundheitliche, wirtschaftliche und psychosoziale Auswirkungen werden jeden Tag auf’s Neue erörtert, oft verbunden mit einer gewissen Ohnmacht. Denn tatsächlich lässt sich das Virus, das nicht vom Menschen gemacht ist, von diesem nicht einfach wieder aus der Welt schaffen.

Daneben gibt es Dinge, die nicht einfach hingenommen werden müssten. Trotzdem werden sie de facto hingenommen. Kaum jemand regt sich darüber auf geschweige denn kümmert sich darum.

Kennt jemand Raif Badawi? Er sitzt seit 2015 in einem saudischen Gefängnis, verurteilt zu zehn Jahren Haft, einem Reiseverbot, einer Geldstrafe von rund 240.000.- EUR sowie zu tausend Stockschlägen. Sein Verbrechen besteht darin, ein Internet-Forum gegründet zu haben, das islamische Werte verletzt und liberales Denken propagiert habe („violates Islamic values and propagates liberal thought“, raifbadawi.org)

Ein Teil der Prügelstrafe wurde bereits öffentlich vollstreckt, der Rest wird ihm vermutlich erlassen, da diese Tortur inzwischen offiziell abgeschafft wurde. Aber wie es aussieht, wird er weitere fünf Jahre im Kerker schmoren müssen. Daran änderte auch ein Hungerstreik nichts, mit dem er im September 2019 gegen seine schlechte Behandlung protestierte.

Eine Tageszeitung berichtete kürzlich über den „vergessenen Blogger“ und entriss ihn damit für einen Augenblick dem Vergessen.

Ist es naiv zu glauben, der Westen hätte durchaus die Macht, jemanden wie Badawi aus dem Gefängnis zu holen? Druck auszuüben auf die Saudis, die nach wie vor militärische Verbündete sind und in dieser Allianz nicht nur geben, sondern auch nehmen? Ist es naiv zu glauben, es könnte sich etwas verändern, wenn nur genügend Interesse da wäre?

Wohl wird von staatlicher Seite protestiert, aber wie geht es danach weiter? Geht man dann einfach wieder zur Tagesordnung über, wenn sich nichts tut?

Muss man notgedrungen akzeptieren, dass wir auch mit denen Allianzen schmieden, die Menschenrechte mit Füßen treten, weil eine selbstgefällige Elite die Macht nicht abgeben will?
Ich will es nicht akzeptieren.

Wohl müssen wir mit dem Virus leben, aber nicht mit Verbündeten, die Kritiker in ihren Verliesen verschwinden oder gleich zerstückeln lassen wie Jamal Kashoggi 2018. Hier nicht alle Mittel ausreizen heißt sich mitschuldig machen.

Corona-Solidarbeitrag jetzt!

Während die einen darüber jubeln, dass sie ihren gebuchten Sommerurlaub im Süden antreten können, muss sich ein Teil der Gesellschaft mit ganz anderen Themen auseinandersetzen: durch Corona über Nacht in die Arbeitslosigkeit abgerutscht, vielleicht sogar in die Grundsicherung.

Es ist extrem unsolidarisch, dass die Lasten der Corona-Krise so ungleich verteilt sind. Bestimmte Berufsgruppen haben keinerlei finanzielle Einschränkungen hinzunehmen, andere müssen aufgrund von Kurzarbeit oder Aussetzung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit gewaltigen Einbußen zurechtkommen.

Nach der Wende wurde der „Solidarbeitrag“ eingeführt. Warum nun kein zeitlich befristeter Corona-Solidarbeitrag, der von Besserverdienenden zu entrichten ist? Als jemand, der diese Krise ohne finanzielle Belastungen erlebt, plädiere ich für einen solchen Topf. Befristet auf zwei Jahre könnten damit etliche Milliarden an Sondermitteln für diejenigen bereitgestellt werden, die aufgrund der Corona-Beschränkungen derzeit allein die Zeche bezahlen – für uns alle.