I make no difference

“Wenn du einen Unterschied machen willst, dann komm zu uns!” Die Texter der Stellenanzeige haben ihn genauso falsch übersetzt wie die meisten anderen: den englischen Ausdruck “to make a difference”. Denn der bedeutet nicht “einen Unterschied machen“, sondern schlicht: etwas bewegen, bewirken.

Es ist einer dieser amerikanischen Glaubenssätze, die es in unser Denken geschafft haben. Denn darum geht es natürlich im Leben: etwas bewegen, verändern, gestalten und letzten Endes sich darin von den anderen abheben, unverwechselbar und einmalig sein, erkennbar und einzigartig in dem, was ich in meinem Leben leiste. Dazu gehören die entsprechenden Geschichten: der schmächtige, schüchterne Junge, der endlich anfing, an sich zu glauben und schließlich als Actionheld groß herauskam. Oder – mit etwas mehr Weltverbesserungstouch – die graue Maus von Journalistin, die ein korruptes Firmenimperium mit ihren Enthüllungen zum Einsturz bringt.

Ich gestehe nach reiflicher Überlegung: I make no difference. Ich bin auch nicht anders als die anderen. Ich fasse Vorsätze und halte sie nicht – wie die anderen. Ich bin genauso bequem wie die anderen, ich begehe Irrtümer und weiß gleichzeitig alles besser – wie die anderen, ich bin inkonsequent wie die anderen, ich bin vor allem an dem interessiert, was für mich gut ist, Weder bringe ich die neue Erkenntnis noch verkörpere ich den überzeugenden Lebensstil von morgen noch konnte ich bisher den Lauf der Welt verändern, denn das, was ich vielleicht wirklich besser weiß, kann ich nicht umsetzen, weil die Entscheider anders entscheiden, mit anderen Worten: Ich bin einer von acht Milliarden, ein “Jedermann”.

Das Verlockende an der amerikanischen Philosophie ist ihr visionärer Zug, ihre Kraft, Menschen für Träume zu begeistern und sie alles aus sich herausholen zu lassen. Ihre Problematik liegt darin, dass sie Selbstakzeptanz und Identität an eine solch außerordentliche Lebensleistung bindet – eine Leistung, die realistischerweise nur den Wenigsten gelingt. Was also bleibt von mir, wenn ich nichts geleistet habe, was sich als Stoff für eine Reportage, ein Buch oder einen Film eignen würde? Gibt es etwas außerhalb und unabhängig von dem, was ich tue, was es mir ermöglicht, mit erhobenem Haupt durch die Welt zu gehen? Die christliche Religion nennt es Gottebenbildlichkeit, die säkulare Neuzeit Menschenwürde. Keins von beiden lässt sich an der DNA von homo sapiens ablesen. Beides verdankt sich Glauben. Demjenigen, der jedem Menschen seine Existenzberechtigung zuspricht. Am Ende eines Jahres, wo dies viel zu viel Menschen vorenthalten wurde, ist das nicht die schlechteste Erinnerung.