Ein Mann ist kein Mensch

Dialekte haben ihre Vorzüge: U.a. bringen sie direkt und oft bildhaft auf den Punkt, was die Hochsprache diskret ausdrückt. Durch Einheirat in unmittelbaren Kontakt mit der indigenen Bevölkerung gelangt, habe ich seit vielen Jahre mehrere native speaker des Kurpfälzischen vor Augen bzw. vor Ohren. Zunächst faszinierten mich die sprachlichen Neubildungen, die sich nicht unmittelbar auf die Hochsprache zurückführen lassen und derer es eine ganze Menge gibt, z.B. das in verschiedenen Bedeutungen verwendete “olwer” bzw. “olwa”. Es kann “ungeschickt, grob, grobschlächtig, unförmig, tollpatschig, ungehobelt; außergewöhnlich groß/dick” (wikipedia, Art. Kurpfälzische Dialekte) heißen. So ist ein “olwerer Kerl” jemand, der sich grobschlächtig und derb benimmt, auch “olwerdapped” gilt noch nicht unbedingt als Schimpfwort.

Fast noch interessanter erscheinen mir indes die Worte, die mit der Hochsprache übereinstimmen, aber im Dialekt eine markant andere Bedeutung haben. Z.B. das Wort “Mensch”. Meint “der Mensch” (maskulin) im Hochdeutschen einfach ein Mitglied der Spezies Homo sapiens sapiens, so gibt es das Wort “Mensch” im Kurpfälzischen im Neutrum: “des [das] Mensch“. Wer hier einen frühen Hinweis auf das sogenannte dritte Geschlecht vermutet – weit gefehlt. Denn entgegen der ersten Vermutung handelt es sich bei „das Mensch“ stets um ein weibliches Wesen – allerdings um kein gutes! So gehört „das Mensch“ durchaus in die Kategorie der Schimpfwörter und kann sogar noch getoppt werden durch „des Dreggmensch” [das Dreckmensch] oder „des Saumensch“. Dass ein Mann kein “Mensch” sein kann, ist in diesem Fall eher von Vorteil.