Drei Kinder spielen am Bach. Sie sind ungefähr gleichen Alters und unterscheiden sich voneinander sicherlich in vielerlei Hinsicht, ohne dass ich dies auf den ersten Blick sehen könnte. Was ich sehen kann, hätte ich früher so beschrieben: Das erste Kind ist weiß, das zweite schwarz, das dritte asiatisch.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass diese Beschreibung im Filter vieler Sprachpolizisten hängenbleiben würde. Ist sie rassistisch? Eines ist sie auf jeden Fall: ungenau.
„Weiße“ sind nicht weiß, auch wenn sie so genannt werden. In einem (ursprünglich französischen) Bilderbuch zeigt ein schwarzes Kind einem weißen Kind auf erfrischende Weise, wie „weiße“ Kinder je nach Situation verschiedene Hautfarben annehmen: rot (Wut), grün (Übelkeit) etc. Am Ende des Buches sagt das schwarze zum weißen Kind: „Und du sagst, dass ich farbig bin?“
Die korrekte Bezeichnung für die Nachkommen der schwarzen Sklaven in Amerika lautet heute „Afro-Amerikaner“ (in meiner Kindheit waren sie so wie die Schwarzafrikaner „Neger“ [von lateinisch niger = schwarz], was nicht im mindesten abwertend war, sowenig wie noch früher „Mohr“). Allerdings weiß ich nicht, ob dieses Kind zu dieser Gruppe gehört oder aus Afrika kommt (im Sinne von: direkt von Menschen abstammt, die in Afrika heimisch sind oder waren).
Möglicherweise würde mir jemand nun entgegnen: Welche Rolle spielen diese Details überhaupt? Seltsamer Gegensatz: Einerseits wird Diversität in einer noch nie dagewesenen Differenziertheit wahrgenommen, auf der anderen Seite soll diese Diversität dann z.B. in einer Beschreibung keinerlei Rolle spielen und stattdessen öde Gleichmacherei herrschen?
Beschreibe ich das dritte Kind als „asiatisch“, so werden die meisten Europäer sich das Kind mit Gesichtszügen vorstellen, wie sie Menschen in China, Japan, Korea, Vietnam usw. haben (Menschen mit Schlitzaugen, so hieß das früher – ist das rassistisch?), also im östlichen Teil Asiens. Sie werden sich kaum ein Mädchen aus Indien vorstellen und schon gar keinen arabischen Jungen. Dabei könnte ein indisches Kind ohne weiteres eine dunklere Hautfarbe haben als ein Kind, das aus dem früher sogenannten „Schwarzafrika“ stammt, welches heute politisch korrekt „Subsahara-Afrika“ heißt und alle Staaten südlich der großen Wüste umfasst.
Die von mir gebrauchten Begriffe (weiß, schwarz, asiatisch) halten einer genauen Überprüfung nicht stand. Aber sie sind zumindest in unseren Breiten konventionalisiert, d.h. mit einer bestimmten Semantik verbunden. So denken wir bei „schwarz“ eben nicht an einen Menschen indischer Herkunft mit dunkler Hautfarbe, sondern an jemanden, dessen Vorfahren (oder er selbst) aus dem Afrika südlich der Sahara stammen. Und der Begriff „asiatisch“ ruft nicht die Vorstellung eines Menschen aus dem Mittleren Osten auf, sondern diejenige von einem Menschen aus dem fernen Osten.
So mögen diese Begriffe zwar sachlich ungenau sein, ermöglichen zumindest für Menschen, die in diesem Kulturkreis sozialisiert wurden, jedoch eine ziemlich exakte Vorstellung.
Zurück zum Anfang: „Das erste Kind ist weiß, das zweite schwarz, das dritte asiatisch.“
Damit ist nichts darüber gesagt, wo diese Kinder geboren wurden und Bürger welchen Landes sie sind. Wohl aber über ihren Phänotyp, über ihre äußere Erscheinungsform als Menschen. Diese mit konventionalisierten Begriffen zu beschreiben erscheint mir (Europäer und vermutlich schon ein „weißer alter Mann“) nicht als rassistisch.
Übrigens: Während man früher relativ unbefangen von „Menschenrassen“ sprach (ohne deshalb notwendigerweise ein Rassist zu sein), wird inzwischen grundsätzlich nicht mehr von Rassen gesprochen. In einem Beitrag erfahre ich z.B., dass weiße Europäer genetisch gar enger mit Ostafrikanern verwandt sind, als Ostafrikaner mit indigenen Südafrikanern.
https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/warum-gibt-es-keine-menschenrassen-tierrassen-gibt-es-doch-auch-100.html
Aber wenn ich Kindern beim Spielen im Bach zuschaue, sehe ich von ihrem Genom herzlich wenig.
Zum Schluss: Warum habe ich bei meiner Beschreibung das weiße Kind an die erste Stelle gesetzt? Vermutlich deshalb, weil in unserer Region Menschen mit diesem Phänotyp in der Mehrzahl sind. Auch das hat mit Rassismus nichts zu tun.
Merke: Es ist nicht alles so einfach, aber auch nicht alles so kompliziert, wie uns derzeit von manchen eingeredet wird.