Einen Tag vor seinem Tod träumt jeder Mensch, dass er fliegen kann. Fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß: es ist einfach so. Als ich diesen Traum hatte, gestern, konnte ich es mir jedenfalls nur so vorstellen.
Ich stand in einem nach oben zylinderförmig aufragenden Raum, vergleichbar einer aufgestellten Raumkapsel. Ein paar Menschen waren da, meine Frau beispielsweise, an die anderen erinnere ich mich nicht. Jedenfalls breitete ich die Arme aus und begann mich zu konzentrieren. Nach einer Weile spürte ich eine Kraft unter mir, eine Welle, die mich langsam hochhob, wie der Luftstrom ein Luftkissenfahrzeug. Meine Füße verloren den Kontakt mit dem Boden und ich schwebte langsam nach oben.
In diesem Moment schien mir die Weisheit aller Religionen, Philosophien und Erkenntnisse in mir vereinigt – vermutlich war das der Augenblick, als ich dachte, jetzt müsse es gewiss ans Sterben gehen.
Dann allerdings, und dieser Gedanke war gleich der nächste, durchfuhr mich heiße Angst: Was wäre, wenn plötzlich meine Konzentration abfiele und ich zerschmettert am Boden aufschlagen würde? So macht sich der Mensch Sorgen, dass er sterben könnte – einen Tag, bevor er sowieso sterben muss.
Die Kraft indes hielt mich oben, und ich schwebte weiter. Nicht in den leeren Raum, denn dieser war ja begrenzt. Aber innerhalb des Zylinders schwebte ich, vergleichbar den Astronauten in der Schwerelosigkeit. Es kam mir in diesem Moment gar nicht so ungeheuerlich vor, unter „normalen Umständen“ nicht mehr der Schwerkraft ausgeliefert zu sein. Die Schwerkraft hatte schließlich auch keine Macht mehr über mich – ich hatte mich der alles überragenden Kraft des Geistes anvertraut.
Meist erinnert man den Anfang, nicht aber das Ende eines Traumes. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann doch wieder zu Boden sank wie ein mit Gas befüllter Luftballon am dritten Tag. Ich war erfüllt von diesem Geschehen, andächtig, ohne mich in irgendeiner Form besser zu fühlen als diejenigen, die unten geblieben waren. Nur dankbar.
Ansonsten blieben mir größere Geistesblitze während meines Fluges verwehrt. Ich genoss es einfach zu fliegen. Dass fliegende Menschen die Herausforderungen dieser Welt lösen, bezweifle ich. Vielleicht war es nur eine Botschaft für mich.
Heute bin ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Und doch ist in mir immer noch eine Ahnung von dieser Leichtigkeit, die mich abheben ließ.
Ob ich nun tatsächlich heute noch oder morgen sterben werde? Warten wir’s ab. Wenn Sie in ein paar Tagen hier wieder einen Post vorfinden, wissen Sie, dass ich mich geirrt habe. Aber nur darüber. Fliegen kann ich trotzdem. Im Traum.