Zu Weihnachten darf man sich zu Kitsch bekennen, ohne rot zu werden. Meine große Liebe ist der Christbaum meiner Kindheit. Genau genommen gab es bei uns zuhause derer zwei: im Erdgeschoss der Baum, den meine Mutter schmückte, im Stockwerk darüber der meiner Großeltern. Das Design des unteren Baumes folgte einer modernen, kühlen Ästhetik: Strohsterne, helle elektrische Kerzen, sparsam behängt. In meiner Erinnerung an den anderen Baum sehe ich ein dunkles Wohnzimmer, in dessen Ecke etwas glüht: der Baum mit der Lichterkette; blaue, rote, grüne und gelbe Glaskugeln, mit einer körnigen Beschichtung überzogen, die wie Schnee aussah. Sie leuchteten warm und mild. Dazu silbernes Lametta, in langwieriger Arbeit Streifen um Streifen über die Zweige gelegt. Meine Kinderseele war entzückt.
Das vorzeitige Ende der Lichterkette kam, als Oma beim Schmücken, auf einem Stuhl stehend, das Gleichgewicht verlor und auf den Baum fiel. Und irgendwie war es auch der Anfang von ihrem Ende.
Einen kläglichen Ersatz bot mir ein Mini-Weihnachtsbaum aus weichen Kunststoffzweigen. Beim Aufklappen kitzelten sie die Hände. Es muss wohl ein Werbegeschenk aus der Zeit gewesen sein, als die Großeltern noch einen Lebensmittelladen führten. Bunte Lichter hatte auch er. Wenn es ihn noch gäbe, würde ich ihn aufstellen. Dieses Jahr habe ich eine Lichterkette so geschaltet, dass sie rot, blau, gelb und grün leuchtet. In meinem Arbeitszimmer.