Was sich (nicht) verändern lässt

Ich weiß nicht, wieviel Prozent der derzeitigen Nachrichten vom Corona-Virus bestimmt bzw. diktiert werden. Gesundheitliche, wirtschaftliche und psychosoziale Auswirkungen werden jeden Tag auf’s Neue erörtert, oft verbunden mit einer gewissen Ohnmacht. Denn tatsächlich lässt sich das Virus, das nicht vom Menschen gemacht ist, von diesem nicht einfach wieder aus der Welt schaffen.

Daneben gibt es Dinge, die nicht einfach hingenommen werden müssten. Trotzdem werden sie de facto hingenommen. Kaum jemand regt sich darüber auf geschweige denn kümmert sich darum.

Kennt jemand Raif Badawi? Er sitzt seit 2015 in einem saudischen Gefängnis, verurteilt zu zehn Jahren Haft, einem Reiseverbot, einer Geldstrafe von rund 240.000.- EUR sowie zu tausend Stockschlägen. Sein Verbrechen besteht darin, ein Internet-Forum gegründet zu haben, das islamische Werte verletzt und liberales Denken propagiert habe („violates Islamic values and propagates liberal thought“, raifbadawi.org)

Ein Teil der Prügelstrafe wurde bereits öffentlich vollstreckt, der Rest wird ihm vermutlich erlassen, da diese Tortur inzwischen offiziell abgeschafft wurde. Aber wie es aussieht, wird er weitere fünf Jahre im Kerker schmoren müssen. Daran änderte auch ein Hungerstreik nichts, mit dem er im September 2019 gegen seine schlechte Behandlung protestierte.

Eine Tageszeitung berichtete kürzlich über den „vergessenen Blogger“ und entriss ihn damit für einen Augenblick dem Vergessen.

Ist es naiv zu glauben, der Westen hätte durchaus die Macht, jemanden wie Badawi aus dem Gefängnis zu holen? Druck auszuüben auf die Saudis, die nach wie vor militärische Verbündete sind und in dieser Allianz nicht nur geben, sondern auch nehmen? Ist es naiv zu glauben, es könnte sich etwas verändern, wenn nur genügend Interesse da wäre?

Wohl wird von staatlicher Seite protestiert, aber wie geht es danach weiter? Geht man dann einfach wieder zur Tagesordnung über, wenn sich nichts tut?

Muss man notgedrungen akzeptieren, dass wir auch mit denen Allianzen schmieden, die Menschenrechte mit Füßen treten, weil eine selbstgefällige Elite die Macht nicht abgeben will?
Ich will es nicht akzeptieren.

Wohl müssen wir mit dem Virus leben, aber nicht mit Verbündeten, die Kritiker in ihren Verliesen verschwinden oder gleich zerstückeln lassen wie Jamal Kashoggi 2018. Hier nicht alle Mittel ausreizen heißt sich mitschuldig machen.