Über Angst lässt sich bekanntlich nicht streiten. Oder ging der Satz anders? Und wenn schon, bezogen auf die Angst ist er in jedem Fall aktueller, als wenn es um Geschmack geht. Schon merkwürdig, dass auch der aufgeklärte, informierte Mensch immer noch noch so viel Angst hat. Oder hat er sie gerade deshalb, weil er so aufgeklärt und informiert ist?
Dabei hat er eigentlich nur vor einer einzigen Sache Angst: vor Corona. Ist es nicht merkwürdig, dass Menschen, die sich mit ihrem Fahrzeug tollkühn in den immer dichter werdenden Verkehr werfen, freiwillig Reisen in Flugzeugen auf sich nehmen und durch ungesunde Ernährung sowie Bewegungsmangel ihre Lebenszeit verkürzen, gleichzeitig jede noch so absurde Corona-Regel peinlichst genau befolgen, um sich nur ja nicht anzustecken?
Im Gartencenter beschwerte sich eine Frau vor mir an der Kasse, sie könne nicht bezahlen, da ich zu wenig Abstand einhielte. Meinen Hinweis, wir trügen doch beide Masken und seien sicher auch geimpft, konterte sie hinter ihrem FFP2-Schutzschild mit dem unschlagbaren Argument, meine OP-Maske schütze sie nicht. Auf dem Parkplatz einige Minuten später wurde ich Zeuge, wie sie beinahe von einem rangierenden Auto überfahren wurde. In Wirklichkeit konnte ihr natürlich nichts passieren. Denn Menschen sterben zur Zeit tatsächlich nur an Corona.
Das Problem ist: Über Angst lässt sich nicht streiten. Es ist wirklich so. Und wer die Angst anderer mit rationalen Argumenten zu überwinden sucht, wird schnell auf abweisende Mienen und verhärtete Herzen treffen. Einem anderen Menschen die Angst abzusprechen, indem man verschiedene, einem selbst einleuchtende Gründe vorbringt, warum Angst in dieser Situation unangebracht oder übertriebene Angst zumindest fehl am Platze sei, ist, als würde man einem Menschen seine Würde absprechen. Die Angst des Menschen ist unantastbar, so steht es schon im Grundgesetz. Halt, ich werde schon wieder zynisch. Nein, es ist nach meiner Erfahrung tatsächlich das Kernproblem: Über Angst lässt sich nicht streiten.
Was hinter dieser Angst stehen könnte, folgt in Teil 2.