Ach, guten Abend, ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass ich so schnell zu Ihnen durchkomme, zum Impfzentrum habe ich vier Wochen gebraucht, also wirklich, eine echte Überraschung, … ja, ich störe Sie nur ungern so spät, aber ich muss jetzt einfach mal etwas loswerden.
Zunächst mal nehme ich Ihnen ab, dass Sie es sich nicht leicht gemacht haben. Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie sahen ja auch ziemlich gerädert aus nach diesem neuerlichen Verhandlungsmarathon. Ich halte Ihnen das wirklich zugute, und ich bin auch überzeugt, Sie wollen das Allerbeste. Nur glaube ich nicht mehr, dass diese neuen Beschlüsse, die im Grunde nur ein Aufguss der alten sind, uns wirklich helfen werden.
Wissen Sie, es macht mich einfach traurig, wenn ich erlebe, wie manche meiner Schüler sich klammheimlich verabschieden. Sich nicht mehr am (Fern-)Unterricht beteiligen. Wenn ich sie dann aufrufe – sehen kann ich sie nicht, weil sonst das System überlastet ist und abstürzt (soviel zum Digitalpakt …), höre ich an der Tönung ihrer Stimme, was los ist. Andere erzählen ganz offen davon, dass sie sich immer weniger motivieren können. Auch im Kollegenkreis werden die Gesichter immer länger, die Bewegungen langsamer und das Lachen rar. Und jetzt wieder verschärfter Lockdown? Warum laufen wir denn schon ein Jahr mit Masken in der Schule herum, wenn es nichts nützt? Es macht mich wütend.
Nur weil sich alles an der Inzidenz orientiert. Dabei wissen wir doch ganz genau, wie wenig aussagekräftig diese Zahlen sind, seit mehr getestet wird. Die Sterblichkeit jedenfalls hat drastisch abgenommen – müsste das nicht zu denken geben? Und spielt nur das eine Rolle, dass manche an dieser Krankheit (wie an anderen) sterben werden, während alles, was im Lockdown stirbt (und auch daran sterben manche buchstäblich), außen vor bleibt?
Ich fürchte, Sie leben in einer Welt, in der das richtige Leben zum großen Teil ausgesperrt bleibt. Mal Hand auf’s Herz: Was hat sich seit Corona in Ihrem Alltag denn groß verändert? Sie eilen nach wie vor von einem Termin zum anderen, kommen mit tausend Leuten zusammen und reisen durch die Lande. Oder sehe ich das falsch? Können Sie überhaupt ermessen, was es bedeutet, wenn sich Menschen inzwischen wie eingesperrt fühlen, der Hoffnung auf ein normales Leben beraubt … Was halten Sie davon, Leute in Ihre Beratungen einzubinden, die dieses Leben gerade führen? Meine Schüler etwa? Oder vielleicht … wie bitte? … die Verbindung ist unterbrochen … oder hat sie gar aufgelegt? … Frau Bundeskanzlerin? …