Ja, im Ernst, das soll schon unsere einzigartige und unvergleichliche deutsche Leistung bleiben, dieser Holocaust. – Ein Pfarrer aus dem niedersächsischen Alfeld konnte dieser Tage nicht schnell genug aus der Stadt gejagt werden. Doch leider erfährt man nicht, was Christian Diederich in seiner Andacht für die Lokalzeitung geschrieben hat: sie wurde nie veröffentlicht. Die Presseleute hatten Meldung bei seinen Vorgesetzten erstattet, die wiederum untersagten augenblicklich die Publikation. So ist es relativ müßig, darüber zu urteilen. „Kleingerechnet“ haben soll er den Holocaust, indem er ihn mit anderen Völkermorden verglich.
Wäre es tatsächlich so schlimm für uns Deutsche, wenn der Holocaust nicht die ärgste, sondern ‚nur‘ die zweitärgste Scheußlichkeit der Menschheitsgeschichte wäre, weil es außerhalb unseres Fokus‘ einen Massenmord in ähnlichen Dimensionen gab? Oder dürfen wir uns das als deutsches Alleinstellungsmerkmal ans Revers heften, in der festen Zuversicht, es werde für die Ewigkeit gelten?
Es kotzt, ja, es kotzt mich geradezu an, wie Zeitgenossen in der Öffentlichkeit abgeschossen werden, sobald sie es wagen, an tradierten Narrativen zu rütteln. Als ob der millionenfache Mord an den europäischen Juden, initiiert und fast gänzlich realisiert durch deutsche Hand, dadurch weniger grauenhaft würde, weil er zusammen mit anderen monströsen Verbrechen genannt wird!
Aber vielleicht sollten wir als Deutsche dafür plädieren, ein Negativpendant zum „Weltkulturerbe“ einzuführen. Ich beantrage schon heute den ersten Platz auf der Liste der Scheußlichkeiten für uns.
Wie gesagt: Es ist müßig, über den Fall zu urteilen, ohne die Fakten auf dem Tisch zu haben. Vielleicht ist es tatsächlich unsäglich, was Diederich gesagt hat bzw. sagen wollte. Aber ohne diese Fakten riecht, ja, es riecht einmal mehr danach, dass hier dem Götzen political correctness ein neues Opfer vorgeworfen wurde. Die Verantwortlichen können sich auf die Schulter klopfen. Dank ihrer Beherztheit ist ein Stück mehr Menschlichkeit in unserem Land gewachsen. Weiter so!
Ist es wirklich „unsäglich“, was Pastor Christian Diederichs (56 J.) gesagt hat bzw. sagen wollte? – das hat mich interessiert.
Aber das wusste nicht einmal das Internet. Dafür anderes.
Erstaunlich: Obwohl sich Diederichs (mit s) von seinen Aussagen distanziert und eingeräumt hat, dass er sich missverständlich ausgedrückt und der Holocaust doch das „Alleinstellungsmerkmal“ habe, musste er doch gehen.
Da ist noch mehr Widersprüchliches, gerade auch über ihn und seine politische Gesinnung:
Er habe sich gegen die Flüchtlingspolitik gewandt, einerseits, andererseits hat er mit Teamern und Konfirmanden Treffen mit Flüchtlingen organisiert.
In einer Ansprache zur Konfirmation äußert er sich moderat kritisch zu den Corona-Maßnahmen der Regierung, andererseits macht er stark, dass jedermann der Obrigkeit untertan sein soll, und dass die Polizei notfalls mit Gewalt für Recht und Ordnung sorgen soll, zumindest wenn linke Extremisten beim G 8 – Gipfel in Hamburg Krawall schlagen. Seine beiden Kinder sollen sich angeblich offen als Rechtsextremisten bekennen. Nun habe ich da allerdings nicht mehr nachgeforscht, ob das so ist.
Soll es einem nun peinlich werden, wenn man als Autor eines Blogs sich in gewisser Weise für jemand eingesetzt, dessen politische Ansicht man trotz gewisser Uneindeutigkeitkeit sehr wahrscheinlich nicht teilt?
Ja, das soll es, wenn political correctness gefordert ist.
Aber muss die denn immer gefordert sein? Und darf man nicht auch – meinetwegen ein bisschen naiv – Partei ergreifen für jemand, über den man halt nur das weiß, was man weiß. – und das erscheint nun mal als ungerecht und nicht correct?