Paddeln mit Taliban

Ich las einen Bericht (ZEIT-Magazin Nr. 23 vom 29.06.2023) über das diesjährige Oslo-Forum. An einem Ort in Norwegen wird dort im überschaubaren Kreis und hinter weitgehend verschlossenen Türen nach Lösungsansätzen in den weltweiten Kriegen (aktuell 25) und bewaffneten Konflikten gesucht. Russen und Ukrainer haben diesmal keine offiziellen Vertreter geschickt. Dafür waren mehrere Taliban dabei. Am letzten Abend gab es ein Kanurennen. Die Taliban gewannen.

Es bleiben Fragen: Warum wurden keine gemischten Teams gebildet? Weil die Talibans nicht mit Ungläubigen gepaddelt hätten? Oder weil sie sich geweigert hätten, mit Frauen im selben Boot zu sitzen? Oder wären die anderen nicht mit den Taliban ins Boot gestiegen?

Weiter: Kann man einen solchen Wettkampf miteinander bestreiten und sich trotzdem bekämpfen? Gemeinsam an einem Kanurennen teilnehmen, um sich danach wieder unversöhnlich gegenüberzustehen?

Müsste es nicht allein schon deshalb gelingen, weil alle Menschen sind? Oder ist das nur westlich-aufklärerische Ideologie? Immerhin haben etliche Staaten die UN-Menschenrechtserklärung von 1948 bis heute nicht anerkannt; von einem globalen Konsens kann nicht die Rede sein. Ist es folglich nur naive Wunschvorstellung, dass Verständigung möglich sei auf der Basis einer gemeinsamen Anschauung vom Menschen?

Vielleicht braucht es einfach noch Zeit, bis sich dieses Verständnis überall etabliert hat. Oder ist das schon wieder westliche Bevormundung (zumindest wird dies denen mitunter vorgeworfen, die sich für die globale Geltung der Menschenrechte einsetzen)? Wer hier zu schnell einknickt, sollte sich die Frage stellen, wem es nützt, dass anderen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Vor patriarchalen und/oder elitären Gesellschaften in die Knie zu gehen, die der Hälfte ihrer Bevölkerung Menschenrechte versagen (z.B. Saudi-Arabien oder Afghanistan), ist Verrat an denen, die bis heute vergeblich auf ihre Emanzipation warten.

Letzten Endes geht es um die Macht. Die an der Macht sind, werden sie nicht freiwillig aus der Hand geben. Umso weniger, wenn auch noch uralte religiöse Gewissheiten mit im Spiel sind. Vielleicht hielten die Taliban beim Rennen deshalb die Paddel so fest in der Hand. Das Rennen auf dem See war zum Glück nur Spiel.