Im Althebräischen hat das Wort für “Kehle” (näfäsch) noch eine zweite Bedeutung, die oft mit “Seele” wiedergegeben wird. Nach der zweiten Schöpfungsgeschichte der Bibel haucht Gott dem ‘Erdling’ (adam), dem von der Erde (adamah) Genommenen, Atem ein. Auf diese Weise wird adam zur lebendigen näfäsch – und so, übersetzt die Lutherbibel, ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
Nie im Leben wird so sehr deutlich, dass der Mensch näfäsch ist, wie dann, wenn dieses Leben zu Ende geht. Der Mensch liegt, die Beine bewegungslos ausgestreckt. Seine Hände führen weder Speise noch Trank zum Mund, still ruhen sie auf der Bettdecke. Die Zunge hat sich in ihre Höhle zurückgezogen und formt keine Worte mehr. Die Augen sind geschlossen und lassen keine Bilder mehr herein. Nur eines ist noch lebendig: der Atem. Ein. Aus. Ein. Aus. Gleichmäßig kommt und geht er, begleitet beim Austritt von einem leisen Pfeifen. Ein Pfeifen, das aus der näfäsch aufsteigt, der Kehle. Das einzige Geräusch in der Stille des Sterbezimmers. In diesem Moment atmet der Mensch nicht, er IST Atem, IST näfäsch. Der Atem ist das Letzte, was an ihm lebendig geblieben ist. Und wenn er seinen letzten Atem ausgehaucht hat, hat ihn auch seine Seele verlassen. So sahen es die Alten. Es klingt stimmig.