Geht gar nicht

Derzeit hat eine kleine, aber sehr kompetente Gruppe ihre Berufung darin erkannt, unsere Gesellschaft darüber aufzuklären, was man (noch) sagen bzw. schreiben darf und was nicht. Z.B „man“ darf man auf keinen Fall mehr verwenden, weil damit nur Männer gemeint sind, weshalb ich es hier nicht mehr gebrauche.

Als ich vor kurzem, auf dem Rad unterwegs, an einem Ortseingang das Schild sehe: „Fahr vorsichtig! Es könnte auch Dein Kind sein!“, fällt meinem geschulten Auge sofort auf, dass das natürlich gar nicht geht. Es gibt nämlich eine ganze Menge Menschen, die sich hiervon überhaupt nicht eingeschlossen fühlen würden und spontan protestieren könnten:
Vielleicht wollte ich nie ein Kind. Vielleicht wollte mein Partner oder meine Partnerin kein Kind. Vielleicht konnte ich kein Kind kriegen. Vielleicht habe ich kein Kind mehr, weil es gestorben ist. Vielleicht habe ich noch kein Kind, weil ich zu jung bin.
Mir war deshalb sofort klar: Das Kind kann da unmöglich stehenbleiben. (Was nur für das Schild gilt, nicht für die Straße, denn ich finde, Kinder sollten das Recht haben, überall stehenzubleiben, wo sie wollen – soviel Autonomie muss sein.)

Was außerdem gar nicht geht: „Dein Kind“ ist viel zu vereinnahmend, es zementiert spätkapitalistische Besitzansprüche. Kinder sind nicht unser Eigentum! Das gilt natürlich nur für die, die Kinder haben (es ist mir wichtig, das zum Ausdruck zu bringen!).
Ganz zu schweigen davon, dass die zwei Personen auf diesem Schild eindeutig zwei Geschlechtern zugewiesen werden, die es so gar nicht gibt. Obendrein hat die Person, die ein „Mädchen“ darstellen soll, auch noch rote Haare und Pippi-Langstrumpf-Zöpfe – diese klischeehafte Festlegung, die möglicherweise noch Anleihen bei einem vormodernen Hexenstereotyp nimmt, verstößt eindeutig gegen die Menschenwürde.  

Überhaupt: Warum werden hier wie immer Menschen bevorzugt und Tiere außen vor gelassen? Tiere können schließlich auch überfahren werden, ist das etwa weniger schlimm? Ein eindeutiger Fall von Rassismus, wenn Tiere nicht erwähnt werden! Und am besten Pflanzen auch berücksichtigen, für den Fall, dass sich eine mal auf die Straße verirrt.

Ich beschließe, einen Protestbrief an die Gemeindeverwaltung zu schreiben. Dann sollte ich am besten aber gleich einen Alternativvorschlag machen. „Fahr vorsichtig! Es könnte ein Mensch oder Tier sein!“ Oder noch besser: „Es könnte etwas Lebendes sein!“ Das klingt richtig ausgewogen. Vielleicht ganz kurz: „Es könnte eine DNA sein!“ Ich bin richtig zufrieden über meinen Vorschlag, da krache ich in ein geparktes Fahrzeug. Bevor ich das Bewusstsein verliere, schießt es mir durch den Kopf: „DNA“ verstehen vielleicht nicht alle…