Was du suchst

Was du suchst, ist nicht auf den Gipfeln der Berge, nicht in den Tiefen der Meere, es ist in deinem Herzen.

Gegen diesen Satz spricht eine ganze Industrie – die des Tourismus. Sie macht uns erfolgreich klar, wir fänden das, was wir suchen, eben doch auf den Gipfeln der Berge und in den Tiefen der Meere, in den Pools der Ferienanlagen und auf den üppigen Buffets der Hotels. Finden wir es dort?

Vielleicht stimmt beides. Vielleicht finden wir das, was wir im Tiefsten suchen, nicht im Urlaub. Aber damit sich unsere Seele wieder daran erinnern kann, müssen wir fortgehen und für eine bestimmte Zeit das Vertraute hinter uns lassen. Damit unsere Seele wieder ins Schwingen kommt, braucht es Abstand von dem, was uns normalerweise Struktur gibt, aber uns in einer Mischung aus Vertrautheit und Zwang auch die Luft nimmt. Wir müssen fort ans Meer, wir müssen fort auf die Berge. Reinhold Messner hat gesagt: Ich gehe fort, um heimzukommen.

Wir müssen uns offenbar erst einmal verlieren, um uns wiederzufinden. Ich lasse all das hinter mir, was mich stützt und gleichzeitig einsperrt, und mache neue Erfahrungen mit mir selbst. Vermittelt werden diese Erfahrungen durch das, was außen ist: das Meer, die Berge etc. – aber in Wirklichkeit mache ich eine Erfahrung mit mir selbst, spüre ich darin doch eine neue Dimension meiner eigenen Existenz, die über die Zeit vielleicht zu kurz gekommen ist: Die Weite des Meeres lässt mich wieder die Weite erahnen, die in mir sein kann, die stille und majestätische Selbstverständlichkeit der Berge korrespondiert der ruhigen Gelassenheit, die ich tief in meinem Inneren spüren kann etc.

Das Äußere ist ein Abbild von dem, was meiner Seele guttut – selbst wenn es typisch neuzeitlicher Naturromantik geschuldet sein sollte. Doch vielleicht steckt in unseren romantischen Gefühlen für die Natur noch ein Rest von der Verbundenheit mit unserer Umwelt, die wir vor 400 Generationen vor dem Übergang in die Sesshaftwerdung noch in uns trugen.

Meine Seele kommt ins Schwingen – durch Impulse von außen. Mit nach Hause nehmen kann ich weder den Berg noch das Meer. Ich kann ein Bergfoto als Desktop-Hintergrund einrichten und ein Glas Sand auf den Schreibtisch stellen, aber ich kann nicht am Strand sitzen und den Wellen zuhören, wie sie am Ufer auflaufen. Das macht nichts, denn es geht ja nicht um den Strand und nicht um den Berg, sondern darum, auf meine Seele zu achten – unabhängig von Urlaub und besonderen Erlebnissen – und ihr Raum zu geben, so dass sie schließlich auch ohne Berg und Meer ins Schwingen kommt.